Schwimmweste, warum?
Schwimmweste, Schwimmhilfe, Rettungsweste, für Wildwasser, Flachwasser, Küste oder offenes Wasser?
Was mich, ehrlich gestanden, Anfangs völlig überforderte war die schier gewaltige und zum teil völlig unterschiedliche Informationsvielfalt, die in etlichen Foren, auf Händlerseiten, bei den Herstellern selbst und nicht zuletzt in den Kanu-/Kajakmagazinen und den zugehörigen Webseiten zu finden ist. Ein Durchblicken ist für Anfänger unmöglich, und selbst für erfahrene Kajaker nicht immer einfach. Denn nur wer mit diversen Schwimmwesten/-hilfen und mit vielen unterschiedlichen Situationen und Wetterverhältnissen auf dem Wasser Erfahrungen gesammelt hat wird wirklich Kauftipps geben können. Ich will in diesem Beitrag jedoch alleine die Unterschiede der einzelnen Westen und die Anforderungen an die jeweilige Situationen aufzeigen.
Unterschied: Schwimmhilfe, Schwimmweste, Rettungsweste
Schwimmhilfen sollen in erster Linie vor dem Untergehen beim Schwimmen lernen schützen. Hierzu zählen Schwimmflügel, Schwimmgürtel, Schwimmbretter etc. Sie eignen sich lediglich für den kleinen oder großen Nichtschwimmerbadegast im Schwimmbad unter Aufsicht. Keinesfalls sind sie ein echter Nothelfer und dürfen auch nicht als solche betrachtet werden. Das beweist auch die traurige Geschichte, die sich am Bolsena-See ereignete, wo ein Vater die Kontrolle über sein Boot verlor und kenterte und seine beiden Kinder, 5 und 4 Jahre alt, sowie er selbst ertrunken sind. Die Kinder hatten noch die Schwimmflügel an, als man sie fand.
Schwimmwesten sind für den jeweiligen Bedarfsfall entwickelt. Es gibt sie für Wanderfahrten im Kajak/Kanu, Wildwasserkajak, fürs Segeln, Surfen usw. Sie sind eigentlich auch nur bessere Schwimmhilfen. Durch ihren Auftrieb erleichtern sie dem Schwimmer das „an der Wasseroberfläche bleiben“. Im Gegensatz zur Rettungsweste sind sie nicht Ohnmachtssicher, man wird bei Bewusstlosigkeit ohne Hilfe wohl kaum überleben.
Rettungswesten sind Westen, die selbst einen Ohnmächtigen an der Wasseroberfläche halten. Sie besitzen einen Kragen, der den Kopf über Wasser hält, und drehen den Ohnmächtigen in Rückenlage, was ein Ertrinken verhindern soll.
Situationen für eine Schwimmweste / Rettungsweste
Nur wenige Kenterungen von geübten Kajakern sind gefährlich. Viele rollen einfach wieder hoch, andere steigen aus dem Boot aus und wieder ein oder schwimmen ans Ufer. Was aber, wenn das unvorhergesehene geschieht und das Ufer aufgrund der neuen Situation außer Reichweite liegt?
In erster Linie muss man davon ausgehen, das selbst dann, wenn jemand eine Notsituation beobachtet, diese Notsituation nicht automatisch als solche erkannt wird. Damit meine ich, das ein Spaziergänger, der dein Kentern und deine Selbstrettungsversuche beobachtet, nicht selbstverständlich Hilfe holt. Oft herrscht die Einstellung: Der da weiß sicher, was er tut. Und gerade beim Küstenkanuwandern oder auf offenen Gewässern wird vielleicht erst gar niemand bemerken, was sich gerade auf dem Wasser abspielt.
Kannst du dich nicht (mehr) aufrollen wirst du aussteigen müssen. Je nach Wassertemperatur, Wellengang, Erschöpfungsgrad usw. wird die Weste zum Helfer und kann unter Umständen das Zeitfenster bis zum Eintreffen der Hilfe verlängern. Selbst bei scheinbar angenehmen 25°C Wassertemperatur und 35°C Lufttemperatur ist ein schneller Einstieg nötig. Je mehr Versuche man braucht, um so eher setzt die Erschöpfung ein. Unpassende Kleidung unterstützt eine Auskühlung des Körpers. So werden 500m bis zum Strand mit einem Boot im Schlepptau, in das man nicht wieder einzusteigen vermag, zu einer Ausdauerprüfung, die tödlich enden kann. Und auch Flachwasserbedingungen auf einem Fluss mit max. 20m bis zum Ufer und unter 20°C Wassertemperatur können ohne Auftriebskörper zur kräftezehrenden Tortour werden. Hat man Wasser geschluckt oder sich an unter Wasser treibenden Gegenständen evtl. den Kopf angeschlagen oder sich anderweitig verletzt wird es noch schwieriger.
Schwimmweste oder Rettungsweste?
Abhängig von diversen Faktoren wie Wassertemperatur, Umgebungstemperatur, eigener körperlicher Fitness, Anzahl der Paddelkameraden, Bootsform etc. muss man für sich selbst entscheiden, ob man eine Schwimm- oder Rettungsweste bevorzugt.
Für das Kajak konzipierte Feststoff-Schwimmwesten sind bei Kajakfahrern verständlicherweise häufiger anzutreffen. Ein gewichtiger Grund dürfte die Bewegungsfreiheit sein, welche von Rettungswesten stark eingeschränkt wird. Ein hoher Schnitt engt nicht im Bereich der Sitzluke ein. Bei einer Kenterung mit Ausstieg kann man mit Schwimmweste den Wiedereinstieg wagen. Rettungswesten hingegen behindern zu sehr, ein Wiedereinstieg wird misslingen. Dafür hält sie dich und deinen Kopf auch dann noch über Wasser, wenn die Erschöpfung ein Schwimmen nicht mehr zu lässt oder gar eine Bewusstlosigkeit eingetreten ist. Bei Seegang oder niedriger Wassertemperatur bietet auch sie keine Überlebensgarantie, verlängert aber das Zeitfenster, in dem man noch gerettet werden kann.
Doch egal, für welche Weste man sich entscheidet, sie muss passen. Eine unpassende oder unbequeme Weste wird man nicht tragen. Eine nicht getragene Weste hilft nichts. Daher ist es empfehlenswert, verschiedene Westen in einem Fachgeschäft anzuprobieren.
Meine Wahl
Ich besitze derzeit die V-Eight von Astral sowie die „Fxr“ von Palm. Beide haben mich beim Probetragen überzeugt.
Abb.: Mit meiner Palm Fxr in Orange beim Test in der Saar.
Die Fxr hat einen ordentlichen Auftrieb und bringt mich schnell wieder an die Oberfläche. Selbst beim reinhüpfen ins Wasser vom Steg werden meine Haare kaum nass. Durch die Gurte an Schulter und Hüfte lässt sie sich einwandfrei am Körper fixieren und engt die Bewegungsfreiheit nicht ein. Gerade beim Eskimotieren ein ordentliches Plus. Da hat die Werbung ausnahmsweise mal nicht zu viel versprochen.
Da mir die Fxr für Touren in ruhigen Flüssen und größeren Wassern wie Ostsee, Schlei oder Bodensee zu wenige Details für eben diese Gewässertypen besitzt, habe ich mit die ASTRAL V-Eight angeschafft. Der Auftriebskörper im Rücken sitzt angenehm hoch, so dass ich mehr Freiraum im Boot habe und mich beim Rollen weit zurücklehnen kann. Durch den Reißverschluss lässt sie sich leicht an- und ausziehen, der Netzstoff am Rücken ist wirklich Atmungsaktiv.
Abb.: ASTRAL V-Eight mit Frontzipper.