Selbstrettung und Seenotsignalmittel
Die Situationen, in denen ein Paddler in ernsthafte Gefahr gerät, sind gar nicht so selten. Die meisten Kanutouren verlaufen zwar wie geplant, aber auch mir sind einige Fälle bekannt, in denen Menschen in Gefahr gerieten oder gar umgekommen sind.
Siehe z.B. hier.
Besonders tragisch ist für mich, wenn Kinder in Mitleidenschaft gezogen werden. Sie verlassen sich auf ihre Eltern und vertrauen darauf, das Unternehmungen mit ihnen stets sicher sind.
Ich werde hier keine Bewertung über Unfallhergänge abgeben und auch nicht über unbekannte Größen mutmaßen, die zu Situationen mit gefährlichem oder sogar tödlichem Ausgang führten. Als begeisterter Paddler bin ich mir bewusst, dass es immer Überraschungen auf offenem Wasser geben kann. Seien es Wellen, die plötzlich auftauchen und uns umwerfen, ein altes Netz, dass sich im Paddel verheddert. Großgewässer können friedlich sein, tückisch oder gar aufbrausend. Was wir Paddler tun können ist uns auf etwaige Eventualitäten vorzubereiten. Neben der für das Paddeln allgemeinen und für Großgewässer zusätzlich empfohlenen Ausrüstung sollten Techniken beherrscht werden, die einer Notsituation vorbeugen.
Auch wer bei sonnigem Wetter mit lauem Lüftchen die Küste entlang paddelt sollte sich zwingend mit folgenden grundsätzlichen Dingen auseinandersetzen:
Gefahren minimieren
Im Vordergrund steht immer die Planung.
- Erlerne Paddelstütze, Eskimotieren, Wiedereinstieg, möglichst in einem Kentertraining.
- Plane Touren auf Großgewässern sorgsam und mit Reserven, in beide Richtungen. Unter guten bis hervorragenden Bedingungen sind 20km gut zu bewältigen. Es sind auch 30km drin. An anderen Tagen, bei Gegenwind, Gegenströmung, starkem Wellengang etc. braucht man für 20km die gleiche Kraft, als würde man 30km und mehr paddeln.
- Paddle nicht alleine. Besser sind mindestens 2 Paddler in zwei Booten. So kann man auf den jeweils anderen achten.
- Vor dem lospaddeln den Wetterbericht sorgfältig studieren und ggf. Ortskundige befragen.
- Querungen so kurz als möglich halten. Befasse dich zudem im Vorfeld mit dem Fragebogen für den Bootsführerschein See. Zu finden sind die
Fragen
hier.
- Befasse dich mit Peilung, damit du stets abschätzen kannst, wo du dich auf der Karte befindest.
Grundsätzliche Ausrüstung
- Passe deine Kleidung der Wassertemperatur an. Oberhalb 15°C bis etwa 20°C Wassertemperatur (je nach eigenem Empfinden) mindestens Neopren, bei Temperaturen darunter möglichst Trockenanzug. Oberkleidung in Signalfarben. Ein Südwester ist besser als eine Kapuze, da er die Sicht nicht behindert. Vor der Sonne und leichtem Regen schützen Schirmmütze oder Hut mit steifer Krempe und Sonnenbrille, Regenjacke oder besser noch eine Paddeljacke. Bei Wassertemperaturen ab 15°C bis ca. 10°C darf eine Neoprenhaube nicht fehlen, um einem Kälteschock über den Kopf und insbesondere den Ohren abzufangen. Unterhalb der 10°C-Marke ist ein Trockenanzug ein Muss.
- Nasenklemme (bei Kentergefahr gehört die auf die Nase)
- Schwimmweste mit Signalpfeife und Rettungsmesser
- Spritzdecke
- Reservepaddel (mind. einer pro 4 Paddler einer Gruppe muss eins mitführen)
- Paddelfloat
- Lenzpumpe
- Handy mit Tasten (damit man auch mit kalten Fingern den Notruf drücken kann) und/oder Funkgerät (am Körper)
- Seenotsignalmittel (davon eine Handfackel und Comet Signalgeber am Körper, um bei Verlust des Bootes trotzdem auf sich aufmerksam machen zu können.
- Helm, um bei Gefahr der Kenterung in steiniger Brandung Kopfverletzungen zu vermeiden.
- Navigationsmaterial (Seekarte in wasserdichter Kartentasche + Kompass)
Kentern und Ausstieg Kopfüber unter Wasser
Solch eine Situation, in der du Kopfüber unter Wasser im Kajak sitzt, darf dir keine Angst machen. Sie darf dich nicht mal wirklich erschrecken. Vielmehr solltest du, wie ich es hier tue, an einem Kentertraining teilnehmen. Hier lernst du dich unter Wasser zu orientieren, zu eskimotieren oder, wenn das nicht klappt, zumindest auszusteigen, ohne in Panik zu geraten. Ein klarer Kopf ist in solchen Situationen wichtig, vor allem, wenn keine helfende Hand in der Nähe ist. Ich muss gestehen, so ein Kentertraining macht sogar ungemein viel Spaß.
Beim Ausstieg unter Wasser reißt man die Spritzdecke entweder über die (hoffentlich außen liegende) Schlaufe vom Süllrand ab. Oder man kann bei vorhandenem Kniegurt die Spritzdecke mit den Beinen abziehen. In beiden Fällen „fällt" man anschließend förmlich aus dem Boot.
Trainiere zusätzlich den Wiedereinstieg mit Hilfe anderer Paddler.
Eskimotieren
Das Eskimotieren, oder weitläufiger als Eskimorollen bekannt, also das aufrichten eines gekenterten Kajaks ohne auszusteigen, ist leichter zu erlernen als man denkt. Im Kentertraining bekommt man Tipps und Hilfestellungen von erfahrenen Paddlern, die es ermöglichen, bereits in kurzer Zeit das erste Erfolgserlebnis vorzuweisen. Du wirst schnell merken: Nach dem ersten Aufrollen, und sei es noch so unprofessionell, hat man eine ganz wichtige Hürde geschafft. br> br>
Es ist nicht so, dass eine Rolle auf jedem Gewässer und in jeder Situation gelingt, aber du wirst nicht mehr so leicht in Panik oder Orientierungslosigkeit geraten. Und mit voranschreitender Erfahrung werden deine Handlungen sicherer.
Wiedereinstieg ins Kajak ohne und mit Hilfsmitteln
Der Wiedereinstieg ins Kajak bedarf ebenfalls etwas Übung. Profis steigen unter Wasser ein und rollen sich wieder hoch. Von solchen Spielereien rate ich im ernstfall ab.
Drehe dein Boot um und schwimme seitlich ans Heck. Nun kannst du dich mit geübten Griffen und einem ordentlichen Schwung mit den Beinen auf das Heck ziehen und mit seitlich abgespreizten bis zur Luke „robben", wieder einsteigen und die Spritzdecke überziehen. Hier kann ein Paddelfloat für zusätzliche Stabilität sorgen. Auch Mitpaddler können das Boot festhalten, sofern sie darin geübt sind.
Bei eingebauter Lenzpumpe lenzt du mit den Beinen, andernfalls mit der Hand bei geöffneter Decke. Es gibt sogar Spritzdecken, speziell mit eingearbeitetem Loch, um eine Handlenzpumpe ggf. bei geschlossener Decke verwenden zu können.
Verhalten bei in Seenot geratenen Kajakern und anderen Hilfsbedürftigen
Hier gibt es nur eine Regel: Bleibe da, solange du nicht selbst Gefahr läufst, in Seenot zu geraten. Spende Kraft, baue mit Worten auf. Verständige die Seenotrettung, per Smartphone oder Funk. Tue alles, was du für dich selbst auch tun würdest, um Hilfe zu bekommen. Mache dich bemerkbar, damit Boote und Schiffe aufmerksam werden und Hilfe leisten können. So lange es geht: Lasse Personen in Not nicht alleine!
Was tun, wenn man selbst in Not geraten ist und Hilfe benötigt?
Ab wann genau befindet man sich eigentlich in Seenot?
Wenn du deine Finger nicht mehr spürst und nicht mehr greifen kannst, deine Kräfte schwinden, wenn du nicht mehr klar denken kannst, dann befindest du dich bereits seit geraumer Zeit in der Seenotsituation. Zu diesem Zeitpunkt solltest du bereits alles getan haben, was dir möglich war, um Hilfe herbeizuholen.
Sei dir über deine körperlichen Kräfte im Klaren. Nach 20km kräftezehrendem paddeln, 15°C Wassertemperatur im Neo, 500m bis zum rettenden Strand, ein Boot im Schlepptau, in das du nicht mehr einzusteigen vermagst weil dir die Kraft fehlt: bereits jetzt befindest du dich in Seenot. Ich sags mal so: Wenn du keine Kraft mehr zum einsteigen hast, wie willst du 500m bei sinkender Körpertemperatur schwimmen?
Ok, gehen wir vom schlimmsten aus: Es ist tatsächlich passiert, du siehst keine Chance außer Hilfe anzufordern.
Bleibe möglichst beim Boot und halte dich daran fest, sofern es Schwimmfähig ist. Ein Boot sieht man leichter als nur einen Kopf mit einem winkenden Arm und es hält dich zusätzlich über Wasser. Setze einen Notruf ab, mit Smartphone oder Funkgerät. Beherzige die 6 Schritte einer Seenotfallmeldung von Udo Beier (DKV-Referent für Küstenkanuwandern).
Hast du Signalmittel wie Comet Signalgeber oder Nicosignal, nutze sie. Möglicherweise kannst du im Küstenbereich oder auf einem größeren Binnensee ein anderes Boot oder gar einen Spaziergänger auf die Situation aufmerksam machen. Handrauchfackel/Signalfackel und/oder evtl. Rauchtöpfe dienen dazu, die Aufmerksamkeit der sich im Sichtbereich befindlichen Boote oder Schiffe zu bekommen.
Welche Mittel zur Alarmierung der Seenotrettung im Fall der Fälle gibt es
Hier eine Auflistung der Seenotsignal- und Kontaktmittel, die ohne den „kleinen Pyroschein" erhältlich sind. Leider ist seit geraumer Zeit für den Erwerb von Fallschirmsignalmitteln besagter „kleinen Pyroschein" nötig, den man nur in Verbindung mit dem Sportbootführerschein in separater Prüfung erwerben kann. Warum der nicht für vereinsorganisierte Paddler erhältlich ist? Gute Frage!
Unter www.cloeser.org/ext/Seenotsignalmittel_2020-02.pdf findet man ein PDF, welches das Waffenrecht in Bezug auf pyrotechnische Seenotsignalmittel beschreibt. Unter anderem findet sich dieser Satz [...]In Küstennähe und auf Binnengewässern wird in der Regel mangels Erforderlichkeit kein Bedarf für Signalpistolen bestehen, da hier Signalgeber oder sprengstoffrechtliche Nahsignalmittel auch zur Erstalarmierung ausreichen.[...]
Aus diesem Grund führe ich nur Mittel auf, die frei erwerblich sind. Beachte, dass das mitführen oder der Transport (z.B. im Auto) zum Gewässer bei gewissen Mitteln nur mit dem kleinen Waffenschein gestattet ist.
Beachtet auch: Pyrotechnische Signalmittel haben ein Haltbarkeitsdatum. Nach dessen Ablauf kann eine Funktion nicht mehr garantiert werden. Macht euch mit dem Umgang der unten aufgeführten Mittel „vor" der Tour vertraut.
- Smartphone oder UKW-Sprechfunkgerät (SRC-Scheinpflichtig!)
- Comet Signalgeber – Click-System oder
Nicosignal. Diese sind in Küstennähe weithin sichtbar.
- Handrauchfackel. Tagessignal. Reißzünder, Ausstoß von dichtem orangefarbenem Rauch, Sichtweite am Tage etwa 800m bis 1000m. Brenndauer: 1 Minute. Frei ab 18.
- Handfackel, rot. Tag-/Nachtsignal. Reißzünder, Leuchtdauer 1 Minute, Lichtstärke 15.000 Candela, also nicht hineinsehen. Frei ab 18.
- Comet Rauchtopf, Orange. Reißzünder, Brenndauer: 3 Minuten. Ausstoß von dichtem Orange-Rauch. Frei ab 18.
Die Griffe der Handrauchfackel und der Handfackel erwärmen sich nicht während des Abbrands und werfen keine Schlacke ab. Danach sollte man sie mit dem Wind von sich fortwerfen. Die Fackeln brennen auch unter Wasser! Die Fackeln und den Rauchtopf stets so verwenden, dass der Wind den Rauch von euch weg trägt.